Positionspapier für den Games-Standort Deutschland

„A Bug is no Feature – Für einen starken Games-Standort Deutschland“ 

Positionspapier der Mitglieder des Deutschen Bundestages

Thomas Hacker, Katja Suding, Dr. Hermann Otto Solms, Manuel Höferlin, Mario Brandenburg, Britta Dassler, Otto Fricke und Marcel Klinge

Mehr als 34 Millionen Menschen in Deutschland sind schon heute begeisterte Gamer und greifen gelegentlich (42 Prozent) bis regelmäßig (36 Prozent) hierfür zum Smartphone, PC und Konsole – Tendenz steigend. Games sind: Kulturgut, Innovationstreiber und Bildungsbeschleuniger mit enormen Wachstumsraten. Nach Branchenangaben soll der Umsatz des deutschen Serious-Games-Marktes in den kommenden drei Jahren auf 370 Millionen US-Dollar steigen. Bereits heute sind mehr als 30.000 Arbeitsplätze mit der Games-Branche verbunden – bei einem Potential von 60.000 Jobs.

Die deutsche Games-Branche verharrt jedoch mit einem Marktanteil von 4,3 Prozent auf unterem Niveau. Den Markt der PC- und Konsolen-Games dominieren die USA, Kanada und Japan. Die umsatzstärksten Mobile-Games kommen bislang aus Russland und den USA – allein Finnland und Schweden dominieren als europäische Standorte.

Zugleich erleben wir einen globalen Kampf um die digitale Vorherrschaft und Ertragsmodelle, wie der aktuelle Streit zwischen dem US-Spieleentwickler Epic Games und den IT-Konzernen Apple und Google um den Battle-Royal-Shooter „Fortnite“ zeigt. In dieser Auseinandersetzung spielt Europa bzw. Deutschland keine Rolle und kann nur noch auf Entwicklungen reagieren – ebenso verhält es sich bei dem Wettbewerb um die kreativsten und besten Köpfe und High Potentials in der Branche.

Trotz des hohen Innovationsfaktors der deutschen Games-Branche verkennt die Bundesregierung das große Potential für den Wirtschaftsstandort Deutschland und ignoriert den globalen Wettbewerb zwischen Staaten, Branche und IT-Konzernen.

Wir fordern: International müssen wir unsere digitale Gameswirtschaft endlich vom passiven Zuschauer zum aktiven und wettbewerbsfähigen Player machen.

Anerkennung und Vertrauen für Gamer und die Branche

Kaum eine andere Branche muss regelmäßig pauschale Vorverurteilung von Politik und Gesellschaft über sich ergehen lassen. Die reflexhaft nach Gewalttaten aufflammende Debatte um „Killerspiele“ zeigt, mit welchem Misstrauen die Branche im Vergleich zu anderen etablierten Wirtschaftszweigen in unserem Land konfrontiert ist. Einen wissenschaftlich belegten Zusammenhang von Gewaltkriminalität und Videospielen gibt es bislang nicht. Nur ein objektiver Umgang mit Gamern und der Branche insbesondere durch die Bundesregierung wird der Lebenswirklichkeit junger Menschen gerecht und stärkt zugleich den Wirtschaftsstandort.

Digitale europäische Souveränität

Deutschlands und Europas Anspruch muss es sein, auch im Bereich Games eine selbstbewusste wie wettbewerbsfähige Rolle zu spielen. Deutschland muss sich endlich für einen echten europäischen digitalen Binnenmarkt mit einheitlichem Rechtsrahmen einsetzen, der mit den Konkurrenten in Nordamerika und Asien mithalten kann. Im weltweiten Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte, wie 3D-Animatoren, Level- / Gamedesigner und Programmierer, muss Deutschland zugleich die Grundlagen durch ein modernes Einwanderungsgesetz schaffen, dass der Mobilität der digitalen Wirtschaft entspricht.

Games-Förderung ins Bundeskanzleramt

Die Games-Förderung ist ein entscheidendes Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit des Games- Standort Deutschland. Die derzeitige Games-Förderung unter Führung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur führt dort ein Schattendasein und geht an den Bedürfnissen der Branche vorbei. Eine Zuständigkeit unter Führung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt entspricht der Relevanz und Identität der Branche. Denn Computer- und Videospiele sind sowohl Wirtschafts- als auch Kulturgut. Die Nähe zur Filmförderung wird zudem den Technologie- und Innovationstransfer von der Games- zur Filmbranche befördern. Mit Schaffung eines Digitalministeriums ist diese Kompetenzverteilung erneut zu überprüfen.

Entwickler-Spirit für deutsche Hochschulen und Ausbildung

Zur langfristigen Sicherung des Games-Standortes braucht unser Land spezialisierte und erfahrene Spieleentwickler. Der Masterstudiengang Computerspielewissenschaften an der Universität Bayreuth ist beispielhaft für die Etablierung zukunftsweisender Bildungsangebote. Die weitergehende Förderung der Forschung und Entwicklung im Bereich Games ist eine zusätzliche Investition, von der der Standort Deutschland branchenübergreifend (u.a. Medizintechnik, Industrieautomatisierung) profitieren wird. Zugleich müssen die Prozesse und Abläufe zur Anerkennung bzw. Entwicklung neuer Ausbildungslehrgänge und Berufe – wie bspw. zum Games-Designer – vereinfacht und beschleunigt werden. Durch die Langsamkeit der entsprechenden Verfahren erleidet unser Land seit Jahren einen massiven Standortnachteil.

Digitale Kompetenz durch Serious Games

Der pädagogische Ansatz durch Serious Games ist zur Vermittlung von Medienkompetenz in allen Altersklassen zu stärken und durch entsprechende gesetzliche Voraussetzungen nachhaltig sicherzustellen. Unter digitaler Bildung verstehen wir nicht nur Whiteboard und iPad, sondern auch die Vermittlung von digitalen Kompetenzen, wie die Einführung in Programmiersprachen, auf neuen Wegen. Nur so werden die Schüler von heute die Entwickler von morgen.

E-Sport als Breitensport 2.0 anerkennen

E-Sports sind ein absoluter Wachstumsmarkt und haben sich schon lange von Fußball- oder Rennsimulationen emanzipiert. E-Sport-Abteilungen werden jedoch bis heute nicht von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt, was nicht nur zu massiver Rechtsunsicherheit bei bestehenden Vereinen sorgt, sondern den E-Sport insgesamt ausbremst. Für eine umfassende Jugendarbeit muss zudem die Vereins- und Verbandsstruktur dringend gestärkt werden.

Bessere Bedingungen für Venture-Capital und neue Bezahlmodelle

Junge Unternehmen bzw. Start-ups sind auf eine verlässliche Kapitalisierung angewiesen, um ihre Games bis zur Marktreife entwickeln zu können – spätestens nach dem Markteintritt ist die Start-Finanzierung oft aufgebraucht. Durch ein Venture-Capital-Gesetz können branchenübergreifend die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital in Deutschland verbessert werden. Zusätzliche Unterstützung kann durch verbesserte Möglichkeiten für Crowdfunding gewährleistet werden.

Digitale Voraussetzungen verwirklichen

Deutschlands Achillesferse ist ein zu langsames Internet – und zwar in weiten Teilen des Landes. Der digitale Breitbandausbau und bundesweite Ausbau der Infrastruktur für den Mobilfunkstandard 5G ist zentral für Entwickler wie Spieler.

25. August 2020